Geschichte
Es war einmal ein Fischer, der fuhr jede Nacht aufs Meer hinaus, um seine Netze auszulegen. Früh am Morgen kehrte er zurück, dann waren seine Netze voll mit Fischen: Denn er kannte die Wege, die die großen Fischschwärme nahmen. Selbst in der tiefsten Nacht fand er seinen Weg. Er sah hinauf zu den Sternen, die über ihm am Himmel standen, und ließ sich von ihnen den Weg zeigen. Aber einmal kam eine Zeit, da war der Himmel von Wolken verhangen. Dicker Nebel lag über dem Meer, sodass man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte. Weder Sonne noch Mond und Sterne ließen sich blicken. Das war eine schlimme Zeit. Denn da konnte der Fischer nicht hinausfahren. Und wenn er keinen Fisch fing, verdiente er nichts. Wovon sollte er dann leben? Tag für Tag saß der Fischer in seiner Hütte am Fenster und sah hinaus auf das graue Meer und hoffte, dass sich der Nebel verziehen würde. Aber der Nebel blieb. „Wenn ich wenigstens einen einzigen Stern sehen könnte”, dachte der Fischer. „Damit ich den Weg übers Meer finde.” Aber kein einziger Stern schaffte es, den dichten Nebel zu durchdringen. Da fasste der Fischer einen Entschluss. „Ich werde mir einen eigenen Stern machen”, dachte er. Er ging in den Schuppen und schnitzte sich aus einem alten Brett einen großen Stern. Den strich er mit leuchtend gelber Farbe an. Als die Farbe getrocknet war, hängte er ihn an eine Stange. Die Stange befestigte er vorn an seinem Boot. Als der Abend kam, ruderte der Fischer hinaus aufs Meer. Rings um ihn her war dichter Nebel. Aber vor ihm leuchtete sein Stern. Er brauchte nur hinter ihm her zu rudern. Und das tat er. Am Morgen bemerkten die anderen Fischer, dass sein Boot nicht am Platz lag. Sie warteten auf ihn. Aber er kam nicht zurück. Niemand hat ihn je wiedergesehen.
Quelle: Fuchshuber, Annegret: Ich habe einen Stern gesehen – Lahr: Kaufmann, 1999
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